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Brauchtum und Bauernarbeit im Jahresverlauf

Mögen viele Bräuche dem modernen Menschen von heute unverständlich erscheinen, sie verschö-
nerten den harten Alltag von einst. Manche gerieten in Vergessenheit, weil die Voraussetzungen sich geändert hatten. Manche werden wiederbelebt. Sie lassen Generationen, Nationalitäten und Gesellschaftsschichten zusammenrücken und tragen damit zur besseren Verständigung und Zusammenhalt eines Gemeinwesens bei.
Wie eifrig ist die Jugendgruppe dabei, Holz und anderes Brennbare für Funkenfeuer zu sammeln. Sie fragt nicht danach, ob bei der Verbrennung auch Schadstoffe freigesetzt werden. Erwartungsfroh fiebern die Kleinkinder den Laternenumzügen an Martini entgegen, und wie freut sich der Städter, wenn im Spätherbst ein von innen beleuchteter glotzender Rübengeist auf dem Fensterbrett oder der Gartenmauer hockt! Eine der besten Kennerinnen von schwäbischem Brauchtum zitierte in einem ihrer Bücher einen Schulbuben, der im Religionsunterricht nach den höchsten Festen befragt, geantwortet haben soll: Fasnet, Kirbe (Kirchweih) und Metzga. Er hat nach eigenen Kriterien bewertet, denn diese drei Begriffe sind jedem geläufig.
Das Brauchtum richtete sich früher vorwiegend nach dem Kirchenjahr und den Jahreszeiten. Da gibt es Unterschiede in den beiden großen Konfessionen, die ein Dorf prägen. Es spielt auch eine Rolle, ob sich der jeweilige Ortspfarrer aufgeschlossen zeigt und behutsam pflegend Überliefertes wieder aufgreift. Wo kein Geistlicher am Ort selber da ist, da wird es schon schwieriger. Am schwierigsten kommt ein Pfarrer aus fremden Land bei uns damit zurecht, denn er ist andere Vorstellungen gewohnt.
Wir haben zu diesem Themenkreis zwei Gesprächspartner aus Unterweiler befragt, sowie manche Notizen aus einem lebhaften Gespräch im Anschluß an einen Brauchtumsvortrag vor Jahren zur Hand. Da kam spontan Selbsterlebtes aus der Kindheit und Überliefertes von Eltern und Großeltern zutage.

Tage des Totengedenkens und des Gräber-
schmückens. Verwandte kommen zum Gräberbe-
such. Im 16. Jahrhundert stellte man Speisen und
Getränke auf die Gräber als Wegzehrung für die
Ewigkeit und zum Gedenken an die armen Seelen im Fegfeuer. Daher stammt die »Seele« als besonderes Gebäck. Das ursprüngliche Brauchtum Allerheiligen mit Grabschmuck galt nur bei Katholiken. Es ist inzwischen in protestantischen Orten eingeführt worden, doch ist der Termin dort der Totensonntag.

Erster Maibaum

Der erste Maibaum 1956.

Mit Pferd vor dem Pflug gespannt, mußte der Pflüger mit den Armen viel Kraft aufwenden je nach der Dicke der Humusschicht. Flott ging die Arbeit voran bei 10-15 Zentimeter Humus. Der originelle weitbekannte und beliebte Orthopäde, Besitzer der Klinik Johanneum in der Parkstraße in Ulm, Dr. Alfred Mendler, formulierte die Bodenbeschaffenheit so: »Do wo der Humus wenigstens 10 Zentimeter dick isch, sitzet d Protestanta, und do wo er dicker isch, d Katholika«. Damit definierte er den Unterschied zwischen der Schwäbischen Alb und dem Oberland.
Der 1. Mai brachte früher das »Maienstecken«. Der Bursch setzte seiner Liebschaft einen Birkenwipfel oder ein Tännlein, geziert mit bunten Bändern aufs Hausdach oder vor ihr Fenster. Es gab auch Schandmaien aus verdorrten blätterlosen Bäumchen, die einer aus Zorn oder Rache für Untreue setzte, und diese mußten gleich verschwinden. Der vergessene Dialektausdruck »vermoia« - vermaien, bedeutet sich herauszuputzen wie ein Maibaum. Der alte Brauch des Maiensteckens ging fast verloren. Sein Nachfolger wurde der hohe Maibaum inmitten der Dörfer. In Unterweiler richtet ihn die Feuerwehr auf.
Inzwischen hat beinahe jedes Dorf seinen Maibaum. Dessen Stamm wird mit Handwerksemblemen dauerhaft geschmückt. Sie erscheinen alle Jahre wieder, nur der Wipfel ist frisch geschlagen.
Jedem sind die Eisheiligen in der Monatsmitte eine Wetterwarnung, denn an Pankraz, Servaz und Bonifaz bricht oft Kälte ein, und die einzige Dame beim Heiligentrio, die kalte Sofie, sendet gern Schneeflocken auf die Baumblüte oder Dauerregen. Drum gab ihr der schwäbische Bauer den Übernamen »d Soichere«.

Funkenfeuer

Funkenfeuer am 11. Februar 1989.

Funkenfeuer am ersten Fastensonntag Invocabit. Tagelang sammelte die Jugend dafür Holz mit dem Sprüchle: »Ihr habe Leut, i bitt um a Scheit. Und wer mir kois geit, dem stehl i a Scheit«. In Unterweiler macht dies heute die Jugendgruppe. Die Älteren sagen noch »Facklafuir« nach der Bibelstelle Joh. 18,4, wo beschrieben wird, wie die Häscher mit Laternen und Fackeln auszogen, um Christus zu fangen. Dieser Brauch geht über einhundertfünfzig Jahre zurück, und er fand sein Ende 1933 in der Zeit des Nationalsozialismus. Da wurde das Funkenfeuer durch die Sommersonnwende im Juni ersetzt.
Das Wiederaufleben des Facklafuirs ging lange nach Kriegsende nur zögernd voran. Dies ist verständlich nach den Feuerstürmen der Bombennächte und den vielen Soldaten, die noch in Gefangenschaft, oder nie mehr heimgekehrt waren. Heute wetteifern sogar die überwiegend protestantischen Dörfer um den höchsten Funken, auf dem die Strohhexe, bespickt mit Knallkörpern als Höhepunkt in die Luft verpufft. Sie soll die Austreibung der bösen Wintermächte versinnbildlichen. Anderen wird sie zur Verkörperung der grausigen Hexenverbrennung vom Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts. Doch unsern Holzsammlern ist die Klärung dieser Fragen nicht vordringlich, denn sie müssen von nun an darauf achten, daß ihr schöner Funken nicht vorzeitig von hinterhältigen Neidern entfacht werde. Deshalb halten die Buben abwechselnd Wache, bei der die mitgebrachten Funkenküchle Tröster sind.
Beim Bäcker gibt es von jetzt ab Fastenbrezeln. In den Wirtshäusern von Unterweiler wurden an den Fastensonntagen besonders große beim Kartenspiel ausgewürfelt.

Aufladen des Garbenwagens

Aufladen des Garbenwagens im Jahr 1930.

Er darf in keinem dörflichen Festzug heute fehler und ist eine Attraktion vor allem wenn Kühe davor gespannt sind. Mit der Dachsgabel wurden die gebundenen Garben auf den Wagen gehoben. Dort nahm sie einer in Empfang und schichtete sie gleich mäßig auf, denn nur auf diese Weise konnte man ohne Gefahr des Umkippens hoch laden. Wenn dann der letzte gelbe Wagen in die Scheune fuhr, sammelten sich draußen bereits die Schwalben zu ihrem Flug nach Süden. Es hieß »Marie Geburt ziehen Schwalben furt«. (8. September).
In der Ähret wurde das „Brotessen«, wie das Vesper allgemein hieß, aufs Feld im Korb gebracht. Es gab Brot, Butter und Käs, oder Rettich und Gurken angemacht. Dabei saßen die Schnitter um die Garben herum und tranken aus einem Fünfliter Henkelkrug aus grauem Steinzeug mit tiefblauer Bemalung. Bei der Ähret kamen vielfach Taglöhner aus dem Dorf. Sie hatten ja sonst kaum Verdienstmöglichkeiten. Benachbarte Dörfer, zum Beispiel Erbach hatte regelmäßig Schnitter von Laichingen, ,,dia Weberla” hießen, denn dort war die Ernte später.
Oftmals bestand das Brotessen nur aus trockenem Brot, das in Salz getunkt wurde und dazu Most.
Zum Mittagmachen ging man heim auf den Hof, und da wurde rechtschaffen aufgekocht mit »bache-ne Spatza« in der Fleischbrüh zuvor, danach Siedfleisch und Kartoffelsalat. . . Man hat in Unterweiler viel Geröstetes gegessen: Gschupfte Nudla mit und ohne Apfelschnitzle, Eierhaber, Krautspatza und natürlich »zogene Küachla«, die auch aufs Feld mit dem großen Krätta, der mit einem Tuch bedeckt war, geschickt wurden. Wenn dabei eine Gutter Obstler der Verdauung diente, dann konnte auch wieder Most getrunken werden. Der Alkoholspiegel war nichts Schlimmes bei harter Schweißtreibender Arbeit, und die Gäul vor dem Garbenwagen fanden auch von allein heim in ihren Stall!

Man sagte dazu »Ähret«, und das waren Wochen angefüllt mit harter schweißtreibender Arbeit. Der
Vater unseres Neunzigjährigen hatte noch mit der Sichel die Brotfrucht Weizen,' Roggen und Dinkel gemäht. Die Handsicheln schnitten nur die obere Hälfte der Halme mit der kostbaren Frucht ab, weil dabei weniger Körner aus den Ähren fielen, als wenn man die lange Sense benutzt hätte. Diese kurzen Garben der Schnitterinnen und Schnitter wurden bereits am Tag des Schnitts heimgefahren, und das stehengebliebene Stroh wurde später mit der Sense gemäht und diente als Stallstreu.
War das Getreide geschnitten, ließ man die Mahd ein bis zwei Tage liegen. Dann wurde sie zu Garben gebunden. Dazu legte jemand Jüngeres die roten oder grünen Garbenstricke säuberlich in Reihen auf dem Feld aus. Dann wurde das Getreide mit einer hölzernen Gabel zusammengetragen und in großen Buschen auf die Stricke gelegt und mit diesen zusammengebunden.

Sichelhenke

Sichelhenke bei Sommer.

Als Abschluß der Ähret wurde mit Dienstboten und Taglöhnern groß gefeiert und gut gegessen; saure Kutteln als Voressen, danach Braten.
Dieser Brauch wurde vor zwölf Jahren in Unterweiler wieder eingeführt. Dazu räumt Hans Sommer die Garage aus. Die Frauen der Nachbarschaft schmücken sie mit Ähren und hängen an die Wände alle greifbaren alten Bauerngeräte samt Wagenräder. Es kommen Alt-Unterweiler Bauern, und jeder der eine Landwirtschaft hatte ist willkommen. Es sind im Durchschnitt zwischen 50 und 80 Personen, in letzter Zeit fühlt sich auch die Jugend recht wohl im Kreis der Älteren. Es werden die einzelnen Geräte dabei erklärt und vor allem wird gegessen: Rollbraten, Würste, Salate, hernach Kaffee und Kuchen. Im nächsten Jahr gab es Steaks, und weiter Zigeunerroll-braten oder gefüllter Schweinebauch. . . Da kann es schon früh um drei Uhr werden, bis der letzte gegangen ist. Mitgebrachte Kleinkinder schlafen im Haus gegenüber auf Sofas. Matratzen, Schlafsäcke oder Wolldecken werden auf den Zimmerboden gelegt und ab und zu schaut ein Vater oder eine Mutter nach ob alles in Ordnung ist.
Das Fest Maria Himmelfahrt fällt meist in die Erntezeit. An diesem Tag findet die Weihe der Kräuterbüschel statt, die landschaftlich verschieden, aus Heilkräutern, Garten- und Wiesenblumen zusammengebunden werden. In die Mitte kommt eine Königskerze oder ein Büschel Ähren. Diesen Brauch gibt es in Unterweiler nachweisbar seit zweihundert Jahren. Der Kräuterbüschel wird getrocknet und dient als Schutz vor Blitz- und Feuergefahr.

Dieses jüngste Fest der Kirche hat an vielen Orten einen besonderen Akzent erhalten durch die Blumenteppiche, die an den vier Altären im Ortsbereich, oder nur in der Kirche ausgelegt werden. Jedes Dorf verfügte über eine eigene Prozessionsordnung, die den Rahmen der Veranstaltung vorgab. Die Wege werden mit Birken oder Buchen markiert, durch die der Pfarrer im Festornat mit dem Allerheiligsten inmitten seiner ganzen Gemeinde schreitet. Der Nachmittag wird dann als Fest der Kirchengemeinde begangen. Unterweiler beteiligt sich an der Wiblinger Fronleichnamsprozession.

- Grünmachen nannte man die Zeit zwischen Stallarbeit und Feierabend. Zwischen der Tagesarbeit und dem Lichtanzünden a »bitzele gstät doa«, um nebenbei auszuruhen und Licht zu sparen. »Ma hots arg naitig gheet zum Gruaba bis es sich rentiert hot, s' Liacht a' zumacha«. Der Druck auf den Fernsehknopf hat dem Greamacha nachgeholfen und ihm den Garaus gemacht!
Dieses »Greamacha« hatte auch eine zweite Bedeutung. Man verstand darunter die täglich dem Feierabend vorausgehende Arbeit mit Viehfütterung und Ausmisten bis zum Eintreiben von Gänsen, Enten und Hühnern. Bevor Bauer und Bäuerin ihre Hände in den Schoß legen konnten, mußte Ordnung im Stall und Hof sein.

Wenn sich die Autoströme gen Süden bewegen, um in den Alpen Schnee und weiter südlich frühe
Blütenträume zu genießen, bleibt die Karwoche im Dorf eine stille Zeit. Am Gründonnerstag soll es Maultaschen geben, hier »greana Krapfac( genannt. Deren Fülle setzt sich aus Rauchfleisch, Spinat, Peterling und Zwiebelröhrle zusammen. Während der Fasten trat anstelle des Fleisches gewürfeltes angeröstetes Weißbrot. Auch am Gewürz für die Brühe konnte von nun ab gespart werden, denn es hieß »wenn der Schnittling wächst, brauchts koin Pfeffer mai«.
Am Karfreitag war der Kirchgang nach Wiblingen zum Hochheiligen Kreuz für die gesamte Familie Christenpflicht und ebenso die Betstunden am Heiligen Grab der Antoniuskapelle von Unterweiler. Sie fanden am Karsamstag ihre Fortssetzung. Der Hausherr war gut beraten, wenn er an diesem Putz- und Backtag außer Haus sich verzog. Er war überall im Weg und übrig wie ein Kropf. In der Küche blähten sich die Hefezöpfe oder das Kranzbrot, das es nur an den Vierfesten gab, wohlig auf und legten dabei Rosinen frei, die jeder, der vorbeigirig, herauspickte. Die hellen Bretterböden von Stube und Stiege erhielten ihr blitzblankes Aussehen durch Heißwasser mit einer Handvoll Soda. Wenn sie trocken waren, kamen die »Blahen« — aus Stoffbändern gewebte schmale Teppiche drauf, jeder im gleichen Abstand vom andern. Um den sauberen Steinboden im Hausgang nicht gleich wieder zu »verdreckeln«, belegte die Hausfrau ihn mit ausgedienten Säcken. Dann kamen die Kinder zum Baden in den Holzzuber, der in die warme Küche gerückt wurde, während Roßknecht und Stallbub die vorösterliche Reinigungszeremonie im Stall vornahmen. Roß und Kuh sorgten dort für eine gleichbleibende Temperatur, und der Wassereimer über den Kopf gegossen, ersetzte die Dusche.
In aller Frühe des Ostermorgens suchten die Kinder emsig nach versteckten Eiern, die der Has gelegt hatte. Hasengärtle mit Weidenruten als Dach oder das Osternest aus Moos waren die sichersten Plätze. Zum Morgenessen erhielt jeder zwei gefärbte Eier und Kranzbrot soviel er wollte. Man ging ins Hochamt im besten Staat. Frauen und Mädchen erschienen im neuen Frühjahrskleid nach dem Motto »Und dräut der Winter noch so sehr, an Ostern muß der Strohhut her«.

Es wird kühler und die draußen den Sommer über weidenden Gänse und Enten sind mast und fett, ihre Federn »reif«. Um sie nicht weiterfüttern zu müssen, wird ein Teil geschlachtet, die Federn für die Aussteuer der Töchter bereitgehalten. Jetzt gibt es das erste Hutzelbrot. Früher war auch der Montag nach Kirchweih ein Bauernfeiertag, aber da es heute weder Knecht noch Magd gibt, ist dieser Tag weggefallen. Das gute Essen an Kirchweih hängt damit zusammen, daß vor jeder Fastenzeit nochmals tüchtig aufgetischt wurde. Der ganze Advent war nämlich Fastenzeit, so wie die österliche Fasten. Vorher galt noch der Martinstag, 11. November als wichtiger Einschnitt im Bauerjahr, denn da war die Feldarbeit eingestellt und die Wintersaat im Acker. An Martini waren Zinsen fällig und es bewegte sich der Geldmarkt. Deshalb gibt es so viele Martinimärkte.

Die durch Technisierung ausgedienten alten Sensen sind, wie Dreschflegel, ein beliebter rustikaler Schmuck. Man erblickt Sensen sogar an der Hauswand vor dem Balkon. Nach jedem Gebrauch der »Säges« wurde deren Metallmesser mit dem Dengel-hammer wieder scharfgeklopft. Dabei gehörte der helle Ton zum Geräusch eines sommerlichen Dorfabends, das sich von Hof zu Hof steigerte.
Draußen auf der taunassen Wiese wurde mit dem Wetzstein die Schnittfläche glattgestrichen und danach der Wetzstein in seinen am Gürtel befestigten Behälter, den Kumpf aus Kuhhorn oder Metall, gesteckt. Beim Grasmähen im Heuet schwangen auch die Frauen die Sensen. Damit es ein ordentliches Stück im Heuet gab, verspeisten die Mähder draußen ihr Brot, Butter und Käs und tranken den mitgebrachten Most, der sich im Zinn- oder Tonkrug in den Bach gestellt oder im Schatten unter einem Baum, gut kühlhalten ließ. Was am Morgen gemäht, wurde mittags »ghoinzetcc. - Mit Heugabeln hoben die Mähder das leicht angetrocknete Gras auf Holzgestelle - die »Hoiza«, wo es rasch von allen Seiten trocknete. Diese Heumännle prägten weitum die Landschaft, bevor Traktor und Mähmaschine das umständliche Heuen erleichterten, und die Hoiza verschwanden. Die verschiedenen Arbeitsgänge im Heuet in Verbindung mit drohendem Gewitter oder Regen erforderten flinkes Arbeiten, wobei jeder auf dem Hof anpacken mußte. Deshalb sprach man von einer wuseligen und rasch erregbaren Bäuerin »dia hot allweil Heuet«.

An den Bittagen vor Christi Himmelfahrt ging die Gemeinde mit Kreuz und Fahnen betend durch die Fluren ins Nachbardorf, wo es für die Kinder, die in der Morgenfrühe mit triefenden Nasen mitliefen, ofenwarme Wecken und eine kalte rote Wurst gab. Diese Wetterbitt-Umgäng fielen dem Autoverkehr inzwischen zum Opfer. Es gibt nur noch die Ösch-prozession am Himmelfahrtstag. Pfarrer und Ministranten tragen den weißen Chorrock, und die Anto-niusfahne bildet den Mittelpunkt.

Bis 1912 war Mariä Lichtmeß ein offizieller Feiertag: Mariä Reinigung, denn vierzig Tage nach der Christgeburt ging Maria erstmals in die Kirche. Dieser Wöchnerinnenbrauch der kirchlichen Aussegnung hat sich bis ins 20. Jahrhundert auch in protestantischen Gemeinden gehalten. Davor durfte die Wöchnerin nur außer Haus gehen, soweit die Dachrinne reichte. Bei den Katholiken wurden Wachsstöcke und Kerzen geweiht, die bei Gewittern und in Sterbestunden angezündet, eine starke magische' Kraft verleihen sollten. Lichtmeß und der nachfolgende St. Blasiustag mit Halsweihe haben sich vielfach vermischt. Seit der um diese Jahreszeit oft verbreiteten schweren Diphtherie der Kinder mit Folgeschäden galt diese Halsweihe als Schutz. Durch die Entwicklung der Medizin haben die Halserkrankungen von einst ihre Schrecken verloren.
Lichtmeß war ein wichtiger Termin für Zahlungen und Stellenwechsel der bäuerlichen Dienstboten. Wer an seiner Arbeitsstelle verblieben ist, erhielt an diesem Tag Geschenke: Knechte ein neues Hemd, Socken und eine Schürze. Sonntags trug der Roßknecht eine weiße Schürze zum Pferdefüttern, die er auch beim Essen nicht ablegte. Am Werktag war der blaue Schurz praktischer. Mägde bekamen Kopftücher, Handschuhe, eine Schürze oder etwas für die Aussteuer. Nach Lichtmeß kamen die »Schlenkeltage« für die Ehhalten die einzigen Urlaubstage im Jahr. Sie besuchten ihre Familien. Der Roßknecht durfte mit der Chaise oder dem Ber-nerwägele seines Bauern in sein Heimatdorf kutschieren und das imponierte wie heute einer mit einem neuen Auto! Bei Wechsel der Arbeitsstelle brachte der bisherige Dienstherr seinen Knecht mit Pferdewagen oder -schlitten an den neuen Arbeitsplatz. jeder Knecht brachte seine eigene Peitsche mit, denn damit vermochte er am schneidigsten zu knallen. Das machte Eindruck bei den Mädchen, denen dieser Zuwachs an Mannsnamen willkommen war. Die wegziehenden Dienstboten erhielten einen Laib Brot mit auf den Weg und für ihre Angehörigen daheim Hutzelbrot, Äpfel und Nüsse.
Um eine neue Stelle in Unterweiler zu finden, bedurfte es früher keiner Vermittlung und keines Arbeitsamtes. Eine gute Stelle sprach sich in der Gegend herum. »Bleibscht du« und wurde diese Frage bejaht, dann war der Dienstbote auf ein weiteres Jahr angestellt. »Mir machet Lichtmeß mitan-and«, das hieß die Trennung. Auf das Wort »der goht huir« meldete sich schon der Nachfolger, falls der Hof ein guter Platz war und Dienstboten »wia oiga« gehalten wurden. Ein schlechtes Haus bedeutete, daß der Bauer »de Gäul it gnua Haber gea hot« und die Bäuerin knickrig kocht, denn fett essen galt auch als gut kochen. Die Wahl der neuen Arbeitsstelle traf der wandernde Knecht auch mit dem Blick unter das Scheunendach, denn dort hingen als Vogelfutter die Saunäbel. Je mehr solcher Näbel, desto fleischreicher schien der Hof zu wirtschaften.

Am 24. Februar hauchte man in die Finger und jammerte über die Saukälte, wenn im Wald Bäume gefällt wurden. Fasnacht war nicht mehr fern. Sie galt mehr den Kindern als den Erwachsenen. Kinder beschmierten sich mit Ruß und wurden Mohr oder Kaminfeger. Mit Großvaters verbeultem Zylinder wurden sie Hochzeiter, und feine Dame durch Großmutters dätschiges Strohhütle.
Auf Anregung von Lehrer Kurt Schebesta sammelten die Kinder von Unterweiler Fasnachtssprüche, die sie beim Rundgang durch das Dorf als Mäschker-le aufsagten:
»Lustig ist die Fasenacht, wenn die Mutter Küchla bacht, wenn sie aber keine backt, so pfeif ich auf die Fasenacht«.
Dr Baur hot zur Bäure gsait: Wenn mei alta Henn it leit, schlag se i kaputt, se geit a guata Hennasupp.
I be(n) a kloiner Ma, i ma(g) it graißer sei, i paß grad ens Ofaloch nei.
I be(n) a armer Knecht, i schaff mei Arbet recht, da Baur laß i mischta, und i sitz auf dr Kista.
I be(n) a armer Schweizer, gant mir au en Kreizer, laßt me it so lange stau, i muaß glei weitergau.
I be(n) a armer König, gant mir et so wenig, laßt me et so lange stau, i muaß glei weitergau.
Baur zahl aus, oder i reiß dein rauta Schnurrbart raus.

Fasnacht, dei Pfanna kracht,
Küachla send scho bacha.
Isch a guata Frau em Haus,
geit se au a Küachle raus.
Küachla oder Speck,
oder schlag i d Haustür weg.

Lirom larom Löffelstiel,
de alte Weiber esset viel.
De jonge müaßet fasta.
s Brot leit em Kasta,
s Messer leit derneba,
was isch des für a lustigs Leaba.

Wenn Fasnacht isch, wenn Fasnacht isch,
no schuißt mei Vatter en Bock.
Wenn mei Muater tanza tuat,
noch wacklet ihra Rock.

Dieser Vers wurde auch auf der Ulmer Alb aufgesagt. Ein Anbindervers bringt ihn in Verbindung mit dem Schlachten eines Schafbocks an Kirchweih, denn auch an diesem Tag wurde körbeweise Schmalzgebäck verzehrt und verschenkt.
Zu den Arbeiten des ausgehenden Winters gehörte das Mist- und Gülleausbringen, damit "d Roß a Arbet hand", denn vom langen Stehen bekamen sie gern Venenstauungen.

Vom 1. Weihnachtsfeiertag bis Dreikönig haben sie als Lostage gegolten, die das Wetter im kommenden Jahr anzeigen sollten. Man schrieb die Lostage sorgfältig im Bauernkalender ein. Deutliche Spuren von altem Aberglauben zeigt auch das Zwiebelorakel. Dabei wird eine große Zwiebel halbiert und aus jeder Hälfte werden 6 Schalen ausgelöst. Diese stellte man in einer Reihe auf ein Brettle oder Teller und bestreute sie gleichmäßig mit Salz. Je nachdem über-nacht nun mehr oder weniger Salz zerfloß, deutete man das Wetter des betreffenden Monats als naß oder trocken. Auch sollte in den Rauhnächten alles vermieden werden, was schadensträchtig sein konnte: Wäschewaschen, backen, dreschen und andere schwere Werktagsarbeit.

An den drei Donnerstagen im Advent zogen die Kinder ab morgens um fünf Uhr von Unterweiler von Haus zu Haus, klopften an Tür und Fenster und riefen »Holla holla Klopfer raus, wirf mer ebbes raus«. Dann erhielten sie Lebkuchen, Äpfel oder einen Wecken frisch vom Bäcker »eiser Beck hot lang koine Brezga gmacht«, bestätigen die beiden Gesprächspartner. Man ist so ums Jahr 1927 mit dem Wieselwägele, auf dem der fertige Teig lag, oder nur das Mehl für Schwarz- und Weißbrot, zum Beck gefahren. 28 Laib Brot für zwei Wochen, die verzehrte eine Familie ohne weiteres.
Die Klopferlestäg sind nur noch Erinnerung.

ankt Gertraud (17. März) ist die erste Gärtnerin. Zuvor war der Bauerngarten beim Haus umgeschoren worden. In Kreuzform angelegt, blieb dort, wo sich die Balken kreuzen, ein Rondell für Blumen frei, welches, wie auch die Wege, mit Buchsbaum umrahmt war.
Am josefstag (19. März) wurde Hafer und Mischfrucht gesägt und an Georgi (23. April) kam die Gerste dran und begann die Weidezeit.

»Bis Neujahr wächst der Tag um ein Hahnschrei, bis Dreikönig um ein Hirschsprung, und bis Licht-meß um a ganza Stund«.
Das Neue Jahr wird mit Glockenklang um Mitternacht begrüßt. Raketen schießen pfeifend in den Himmel, Kanonenschläge krachen und Knallfrösche lärmen. Schon vor dreihundert Jahren gab es beim Neujahrsanschießen mit Böller und Schußwaffen manchen Unglücksfall wie auch heute unter dem Einfluß von Feuerzangenbowle oder Glühwein. Es sollte ehemals stets eine gerade Zahl von Schüssen abgegeben werden, damit das neue Jahr von Unglück verschont bleibe. Am Neujahrsmorgen beim Kirchgang wünscht man sich gegenseitig »a guats Nuis«. Nachmittags machen Bekannte und Verwandte Besuch zum Neujahranwünschen, Christbauman-gucken und Brötlesversuchen. Dabei wird fürs »Christkendle«, also das Weihnachtsgeschenk von Paten Dank gesagt.
Die Sternsinger, meist verkleidete Ministranten, machen ihre Runde im Gewand der Dreikönige mit Weihrauchkessel und geweihter Kreide. Sie schreiben damit das C + M + B und die Jahreszahl an Haustür und Türbalken: »Christus mansionem benedi-cat« — Christus möge dieses Haus segnen. Der Volksmund machte daraus die Namen der Hl. Dreikönige, und die Meßbuben übersetzen es keck in »Creszenz machs Bett«, oder wie im Allgäu mit »Chäs, Mill, Butter«. Lebkuchen, Nüsse und Orangen werden redlich untereinander verteilt, während die Geldspenden an die Hungernden in aller Welt gehen. Damit hat ein alter Brauch einen neuen Sinn erhalten. Die schneereichen Winter brachten außer Muße hinterm Ofen auch harten Winterdienst für den Einzelnen. Oft mußten die Kinder mehr als knietief durch den Neuschnee zur Schule stapfen, weil die Väter erst nach der morgendlichen Stallarbeit mit dem Freischaufeln von Hof und Wegen beginnen konnten. Auch der große Bahnschlitten brach erst gegen 10 Uhr mit Fuhrmann und vier schweren Pferden für den kleinen, und 6 bis 10 Pferden vor dem großen Bahnschlitten gespannt auf. Dazu waren dann mehrere Reiter auf den Zugpferden notwendig, ein stolzer Anblick und die Sensation fürs ganze Dorf! An Sonntagen gab es Schlittenpartien mit den »Gesellschaftsschlitten« nach Humlan-gen, Altheim und weitere Dörfer. Man spannte dazu einfache Fuhrschlitten vom Hof zusammen, vorne meist einen längeren, dahinter den kürzeren, polstert sie mit Strohsäcken und Pferdedecken aus und los ging es mit Peitschengeknall und Schellen-geschell. Die Rosse trugen ihr Festtagsgeschirr und hatten um den Hals nach Vorschrift das Schlitten-geschell aus vielen kleinen scheppernden Glöcklein am ledernen Band oder mehreren größeren hellen Glocken. Die Stimmung wurde mit Liedern und Zwetschgenwasser bis zum Ziel, dem Wirtshaus, tüchtig angeheizt und das Zusammenrücken in der Kälte brachte manches spröde Herz zum Schmelzen.

Die langen Palmstecken, mit denen die Jugend in die Kirche einzieht und den Altar umsteht, wie dies heute in immer mehr Kirchen von Stadt und Land geschieht, gehen in Unterweiler auf keine sehr alte Tradition zurück. Beim Lokalkaplan ums Jahr 1800 kommen sie nicht vor. Heute gestalten die Kindergartenkinder zusammen mit ihren Eltern schöne Palmen in Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem. Den geweihten Palmen spricht der Katholik alter Glaubensprägung Schutz gegen Blitzschlag und Feuer zu.


Kaum ein Heiliger genießt so große Verbreitung und Volkstümlichkeit wie dieser Bischof von Myra in Kleinasien, der um das Jahr 300 n. Chr. gelebt hat.
Seine Gebeine wurden 1078 von Kleinasien nach der Basilika San Nicola in Bari entführt. In Unterweiler kleidet sich der Pfarrer vor den Kindern als Heiliger Nikolaus mit Stab und Mitra an und setzt damit ein Zeichen: Wir wollen weder Pelzmärte noch .den rotgewandeten und zipfelbemützten Weihnachtsmann.

Heiligabend war nichts Besonderes. Man hat den Christbaum am Abend zwar behängt, aber es gab keine Bescherung danach. Erst am Weihnachtsmorgen lugten die unruhigen Kinder »was leit unterm Baum?« Sie fanden eine neue Winterhaube, Wollschal und Handschuhe, wenns gut ging auch einen Holzbaukasten. »Dia alte Gretla« (Puppen) bekamen jedes Jahr ein neues Kleid, und der Holzbaukasten ging ab 1924 durch alle Generationen »bis er hee war«.
Der Stefanstag gilt heute vielfach als Tag der Vereine und der Premiere des Theaterspiels. Fast jeder Ort hat heute seine Spielgruppe, die volle Häuser und deftige Lachsalven garantiert. Ein Teil des Erlöses kommt den beiden großen Hilfsaktionen in Ulm zugute.