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Monatsregeln für den Bauern aus dem Archiv der Gemeinde

Öschprozession

Um ein gutes Wetter bitten die Gläubigen bei der Öschprozession im Jahr 1985, bei der das von Hans Sommer gestiftete Wegkreuz durch Dekan Omonsky eigesegnet wurde. Links die Antoniusfahne.

Die Wetterregeln beruhen heute auf genauer Naturbeobachtung. Sie hatten in früheren Zeiten eine weit größere Bedeutung für die Landwirtschaft, da der Ernteertrag den Hauptverdienst einbrachte. Der Hundertjährige Kalender, der heute noch in Jahreskalendern für eine bäuerliche Leserschaft enthalten ist, bildete ein wichtiges Nachschlagwerk. Neueste Forschungen widerlegen ihn insofern, als die auf Aberglauben und Astrologie beruhende Zusammenstellung von Wetterprognosen des Abtes Mauritius Knauer von Langenheim sich nur auf siebenjährige Aufzeichnungen der verschiedenen Wettererscheinungen zwischen 1652 und 1658 stützt. Davon fertigten Mönche Abschriften, die dann gedruckt seit 1701 in den Handel kamen.
In den Bauernstuben hingen die langen Quecksilberbarometer, deren Nachfolger die Uhrenbarometer (Wetterglas) wurden. Beliebt waren auch die putzigen Wetterhäusle, wo Männlein oder Weiblein, je nach Wetterumschwung abwechselnd nach vorne traten, und endlich ist der gute alte Laubfrosch in seinem Glas mit der Holzleiter als Wetterprophet nicht zu vergessen.
Die Nachfolge traten Wettervorhersagen in den Tageszeitungen, in Rundfunk und Fernsehen an. Sämtliche Neuerungen konnten die alten Wetterregeln jedoch nicht aus der Welt schaffen:

Ist der Januar frostig und kalt
lockt uns bald der grüne Wald .

Alle Monate im ganzen Jahr
verwünschen den schönen Februar.

Siehst im März gelbe Blum' im Freien
magst getrost du Samen streuen.

Je früher im April der Schlehdorn blüht
je eher der Bauer zur Ernte zieht.

Regnets im Mai auf die Saaten
so regnets dem Bauer Dukaten.

Im Juni bleibt man gerne stehen
um nach Regen auszusehen.

Im Juli muß braten
was im Herbst soll geraten.

Fängt der August mit Donnern an
er's bis zum End nicht lassen kann.

Ist der September lind
ist der Winter ein Kind.

Oktoberhimmel voller Stern
hat warme Öfen gern.

Sitzt der November fest ins Laub
wird der Winter hart, das glaub'.

Steckt die Krähe vor Weihnachten im Klee
so sitzt sie um Ostern im Schnee.

Das Umschlagen des Wetters in Schlechtwetter zeigen folgende Wahrnehmungen von Unterweiler Bürgern an:
Wenn der Wald schwarz scheint.
Wenn d'Lacha stinkt. (Lacha ist vergorener Harn vom Vieh, auch Jauche oder Soich genannt)
Wenn s'Heisle stinkt. (Mit diesem Wort meinte man früher den Abort, der an das Wohnhaus angebaut oder in einem eigenen Bretterhäuschen mit eingeschnitten Herzen in der Tür installiert war).

Wenn d'Schwalba tief flieget.
Wenn der Mond en Hof hot.
Wenn man das Gebirge gut sieht.
Wenn es Morgenrot am Himmel hat.
Wenn d'Schnecka kreiset (kriechen)

Das Lagerbuch weist sicherlich große Lücken auf, doch eines geht klar hervor: Unterweiler war, trotz-
dem Ulmer Kaufleute dort im Mittelalter mit Besitz-
tum vertreten war, nicht vorwiegend auf die Reichsstadt Ulm ausgerichtet. Dies ist vor allem aus den
Aufstellungen der Fuhr- und Gespanndienste ersichtlich. Sie erstreckten sich im 18. Jahrhundert auf die vorderösterreichischen Orte Günzburg als Sitz der Markgrafschaft Burgau, Kloster Wiblingen und Ehingen - hier mit dem alten Namen »Egna« bezeichnet, als Sitz der Landständischen Verwaltung. Es sind immer wieder dieselben Namen von Pferdebesitzern mit vorwiegend zwei Pferden zum Frondienst eingeteilt worden: Hansjörg Geiselmann, Josef Sommer, Joseph Danner, Bernhard Wanger, Konrad Stolz, Modest Hueber, Martin Amann, Raimund Stolz, Anton Edel, Joseph Bierbrigel und Hans Hayde. Nähere Erläuterungen gibt es kaum, doch läßt ein Posten aufhorchen: »Anno 1770 den 1. May haben wir einen Vorspann geben zu dem Kaiserl. Königl. (unleserlich) auf Egnen Bernhard Wanger ein Pferd und Raimund Stolz ein Pferd«.
Am 1. Mai 1770 fuhr die Erzherzogin von Oester-reich, Maria Antonia, spätere Königin Marie Antoi-nette von Frankreich, auf ihrem Brautzug von Wien nach Versailles von Günzburg über Ulm-Oberdi-schingen nach Kloster Obermarchtal zur Nachtstation 1. auf 2. Mai. Die Markgrafschaft Burgau, die Herrschaften Weißenhorn und Wiblingen mußten Pferde bereitstellen an den Wechselstationen. Das bedeutete täglich zwei- bis dreimaliger Pferdewechsel für 57 Wagen, die meist sechsspännig fuhren. Wanger und Stolz hatten sich, versehen mit Futter für ihre Pferde, zu einem bestimmten Zeitpunkt an der Wechselstation Ehingen einzufinden, wo ihre Pferde vor einen K.u.K. Reisewagen mit eigenem Hofkutscher gespannt wurden. Dies konnte eine elegante »Berline«, eine Kutsche, Kalesche oder ein plumper Kammergüterwagen sein. Die Einteilung fehlt bei dieser Station. Aber ganz sicher dürfen wir sein, daß die beiden Unterweiler Bauern ihr Lebtag lang mächtig stolz waren, an diesem großen Ereignis der Brautfahrt einer Kronprinzessin teilgenommen zu haben!
Joseph Stolz, Joseph Sommer und Hans Frank waren mit je zwei Pferden dabei, als am 26. Mai 1770 das Gefolge des Brautzugs in Richtung Wien zurückfuhr und Pferde aus Unterweiler in Günzburg dafür benötigt wurden. Das Jahr 1770 brachte durch späte Kälte und Schnee im März, dann Dauerregen eine Mißernte, und im Jahr danach Hungersnot. Kaiserin Maria Theresia sandte donauaufwärts zur Milderung Getreideschiffe bis Günzburg, und da waren wiederum drei Unterweiler Bauern - Geiselmann, Sommer und Wanger - mit je zwei Pferden und den Wagen zum Abholen des Getreides bestimmt. Überspringen
wir zwei Jahrzehnte, so sind wir in den Revolutionskriegen: 1793, drei Roß nach Günzburg und den Wagen, um das Brot den Franzosen zu holen den 24. Christmonat, wie auch zu Beginn dieses Monats »Kommißbrot aus Günzburg geholt werden mußte«. Französische Kriegsgefangene hatten 1794 das Faulfieber eingeschleppt. Das Armenhaus in Wiblingen war Quarantänestation, doch reichte dies nicht aus, denn am 11. Juni 1794 fuhren fünf Wagen kranker Soldaten nach Ulm.
Selbst aus dürren Zahlen läßt sich Geschichte herauslesen und in Zusammenhänge einflechten.

Wald

Nach dem Sturm ,,Wiebke" im Februar/März 1990.

Teilweise nach Aufzeichnungen des verstorbenen Andreas Renz geboren 31. August 1881 in Schaffel-kingen, verheiratet 24. Juli 1923 mit Veronika Patent in Unterweiler, gestorben 21. Juli 1960.
Der Erfolg der Bauernarbeit hängt entscheidend vom Wetter ab. Mag er noch so fleißig sein, wenn das Wetter nicht mitmacht, bleiben Arbeit und Mühen vergebens. Es ist deshalb verständlich, daß die bäuerliche Bevölkerung ein besonderes Interesse am Wetter und Wettervorhersagen hat. Unsere Aufzeichnungen umfassen eine Zeitspanne von 1911 bis heute, und es sind Wahrnehmungen, die sicherlich auch andernorts festgehalten sind. Hier bestimmt sie das örtliche Kolorit.
November 1911.
Am 16. November des Jahres, abends etwa halb 11 Uhr, wurde hier ein heftiges Erdbeben verspürt, die Häuser zitterten und wankten. Möbel und Betten schwankten, als wollten sie umfallen. Die Schläfer fuhren erschreckt aus den Betten, ich selber hatte das Gefühl, als stürze das ganze Haus zusammen. Das Beben wurde in einer ganzen Reihe von Ländern wahrgenommen und richtete teilweise großen Schaden an, doch wurde bei uns Gottlob, kein Schaden angerichtet. Dazu an anderer Stelle: Das Vieh brüllte in den Ställen.
Juli 1913.
Den 20. Juli mittags 1 Uhr 7 Minuten wurde hier ein ziemlich heftiger Erdstoß, jedoch nur von kurzer Dauer verspürt.
30. Juni 1921.
Furchtbares Hagelwetter, der ganze Ösch wurde total verhagelt. Keine einzige Ähre blieb verschont, von einer Garbe war keine Rede. Kartoffel, Rüben, Klee usw. wurden ebenfalls total vernichtet. Das Obst wurde vollständig von den Bäumen geschlagen, ja sogar das Laub und die Zweige vielfach sogar die Rinde.
Vorsommer 1926.
Der Vorsommer 1926 war ungewöhnlich regenreich, ungeheuer starke Regenfälle und Wolkenbrüche waren an der Tagesordnung. Das Heu wurde zum Teil schlecht heimgebracht, die Ernte wurde gut eingebracht, jedoch gabs wenig und viel schwache Frucht. Stroh gabs viel.
Das Jahr 1928.
Das Jahr 1928 war für hiesige Gegend ein sehr gutes Obstjahr. Für Mostobst wurden pro Zentner 7.- bis 10.- M gelöst. Tafelobst 12.- bis 18.- M. Der Winter 1928-29 war ungewöhnlich lang und sehr kalt, fast sämtliche Wasserleitungen waren eingefroren, mit Ausnahme einiger laufender Brunnen. Wir mußten vom 6. Februar bis 28. April das Wasser bei Geiseles Brunnen holen. Das Wetter blieb trüb und kühl bis Pfingstdienstag 21. Mai. Vom 21. Mai ab wurde es richtig warm.
Der Winter 1930/31.
Der Winter 1930-31 war bis bereits Anfang Februar gelind und ohne Schnee. Dann gab es aber noch ziemlich Schnee und am 7., 8. und 9. März mußte hier der Bahnschlitten geschleift werden, am 11. und 12. wieder. Ferner wurde der hiesige Bahnschlitten zweimal nach Unterkirchberg und einmal nach Altheim geholt, von Freitagabend bis Mittwoch hat es unaufhörlich geschneit. Im freien Felde lag der Schnee durchschnittlich einen halben Meter hoch. Von Samstag bis Donnerstag konnte kein Auto mehr verkehren.
Der Sommer 1931.
Der Sommer 1931 war mehr naß als trocken, besonders der August war sehr unbeständig, sodaß die meiste Frucht aufgestellt werden mußte und Trotzdem viel Frucht schlecht heim kam. Der September war auch nicht nobel, der Oktober war meist trocken, bis zum 24., wo Regen einsetzte, dem am 25. und 26. Schnee folgte, und zwar so, daß geschaufelt werden mußte und viele Autos im Schnee stecken blieben. Es wurden durch den Schnee viele Obstbäume beschädigt durch Astbrüche.
Januar 1955.
In der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1955 wurden bei orkanartigem Sturm, der Spitzengeschwindigkeiten bis zu 120 km/h erreichte, im Dorf zahlreiche Dächer und Zäune beschädigt und die Straße nach Wiblingen war am Morgen des 17. Januar durch entwurzelte Bäume gesperrt. Durch die vorausgegangenen Regenfälle trat die Donau über die Ufer und überflutete weite Gebiete in Ulm-Donautal und Erbach.
Im darauffolgenden kühlen Sommer häuften sich heftige Unwetter mit wolkenbruchartigen Regenfällen, die wiederum in Erbach, auch in Einsingen und auf dem Hochsträß zu Überschwemmungen führten.
Winter 1955/56.
Der Winter 1955/56 begann unverhältnismäßig mild, aber am 30. Januar 1956 setzte eine vierwöchige Frostperiode ein, bei der die niedrigsten Temperaturen seit 1928 gemessen wurden. - In Unterweiler z. B. am 1. Februar minus 22 Grad; am 2. Februar minus 26 Grad, am 10. Februar minus 30 Grad, und am 11. Februar minus 17 Grad -. Die Folge davon war Kohlenmangel, der die Unterweiler Schule, wohl zur Freude vieler Schüler, dazu zwang, einige Tage zu schließen.
Winter 1962/63.
Erneut sibirische Temperaturen um 30 Grad minus brachte der Winter 1962/63, der schon früh einsetzte und eine Schneedecke bescherte, die bis zum März liegenblieb. Über den zugefrorenen Bodensee zog eine Prozession von Münsterlingen (Kanton Thurgau) über das Eis nach Hagnau, Kreis Überlingen. Diese »Seegfrörne« zog Tausende von Neugierigen auf den Bodensee.
9. Juni 1965.
Im Jahr 1965 gab es im Ulmer Gebiet im Mai eine Niederschlagsmenge von 96,4 1 (langjähriges Mittel 68 1) bei einer Sonnenscheindauer von nur 149,2 Stunden. (langjähriges Mittel 221 Stunden). Kein Wunder, daß die Flüsse über die Ufer traten und Donau und Iller in Ulm und Umgebung mit ihren braunen reißenden Wassermassen ein grausig faszinierendes Schauspiel boten. Am Freitag dem 9. Juni 1965 betrug der Pegelstand der Hier bei Wiblingen 6,35 m und der der Donau beim Donaubad 5,0 m.
23. Februar 1967.
Starke Schäden an vielen Hausdächern und im Gemeindewald verursachte ein Sturm, der am 23. Februar 1967 mit Windstärke 11 über Unterweiler fegte.
Sommer 1976.
Dieser Sommer brachte dann wieder Rekorde anderer Art. Während 42 Tagen fiel im Juni und Juli in unserm Raum kein Tropfen Regen bei Tagestemperaturen um und weit über 30 Grad. In weiten Teilen Mitteleuropas litten Menschen, Tiere und Pflanzen unter den extremen Witterungsverhältnissen. Die Ernte war gefährdet, Notschlachtungen mußten vorgenommen werden, und das Wasser wurde knapp. In Unterweiler wurden die Felder unter Einsatz von Geräten der Ulmer Feuerwehr beregnet und die Landwirte fuhren Wasser, das aus dem Tiefbrunnen der ehemaligen Wasserversorgung bei der Franzis-kuskapelle entnommen wurde, mit ihren Güllefäs-sern hinaus. Dabei waren Nachteinsätze keine Seltenheit. Erst am 20. Juli beendeten herannahende Tiefdruckgebiete die Hitzeperiode.
20. Januar 1986.
Eine besondere Laune leistete sich der Wettergott dann in der Nacht zum 20. Januar 1986 mit einem schweren Wintergewitter und Sturmböen. Bäume stürzten um, in Neu-Ulm fiel der Strom aus und in der Sendestation am Ulmer Kuhberg streikte das Netz. Die Böen erreichten Windstärke 89.
Im Januar und Februar 1990 fegten mehrere heftige Stürme über Mitteleuropa hinweg. Sie setzten im nördlichen und mittleren Bundesgebiet ein und endeten mit dem gewaltigen Sturm »Wibke« vom 28. Februar auf 1. März 1990. Orkangeschwindigkei-ten bis über 160 km/h rissen breite Wurfschneisen von mehreren Kilometern Längen und vielen hundert Metern Breite in Wälder. Alles, was in der Zugstraße des Orkans lag, wurde geworfen: Fichten, Buchen und selbst die als besonders sturmfest geltenden Eichen. Besonders in der »Hagenbreite« hinterließ der Orkan verheerende Spuren seiner Kraft, während sich die Gebäudeschäden in Unterweiler in Grenzen hielten. In den nächsten Jahren werden wahrscheinlich weitere »Nachwürfe« bei weniger intensiven Stürmen auftreten, denn offene Flanken und Sturmanrisse gibt es in den Wäldern genug.
Wir haben erkennen müssen, daß nur wenige stürmische Stunden zerstören können, was zuvor Generationen gepflanzt und gepflegt haben. Unsere Generation hat die Aufgabe, auf den Windbruchflächen nach diesem Jahrhundertereignis wieder einen gesunden und artangepaßten Wald entstehen zu lassen.





Alte Schrfttafel

Alte Schrifttafel

Aberglauben, Religion und Bauernweisheit haben den Rahmen abgesteckt, in dem die Menschen früherer Jahrhunderte Erklärungsmöglichkeiten suchen und sich Abwehrversuche ausdenken mußten gegen witterungsbedingte Unbilden, Ungezieferplage mit darauffolgenden Mißernten und Hungersnot, Seuchen von Mensch und Vieh, Brand, Hochwasser, Kriegsnöte, denen sie nahezu wehrlos ausgeliefert waren. Der ausgeprägte Wunderglauben fand reiche Nahrung bei allen Bevölkerungsschichten.
Die beiden Grafen von Kirchberg, die Stifter von Kloster Wiblingen, brachten von ihrer Heiligland-Pilgerfahrt im Jahr 1093 einen Partikel vom Kreuz Jesu Christi mit. Bald darauf setzte die Verehrung der Heiligkreuz Reliquie ein. Die Klosterkirche wurde auch Wallfahrtskirche.
Dieser Kreuzpartikel wurde im Jahr 1633 vor den anrückenden Schweden eingemauert. Nur der Abt, Prior, Großkeller und der alte Maurer, der die Arbeit besorgte, wußten den Platz. Dann raffte die Pest von 1635 die drei Klosteroberen hinweg, und der Maurer war in seine Heimat Kärnten geflüchtet. Fünf Jahre galt die Reliquie als verloren. Da zog es den alten Maurer nochmals nach Wiblingen zurück, damit er vor seinem Tode das Heilige Kreuz verehre. Es war kurz vor dem Fest Kreuzerhöhung, 14. September, als der kostbare Schatz wiedergefunden wurde. Fortan war dieses Fest Titularfest der Wallfahrt und dieses zog viele Jahrhunderte hindurch Tausende von Wallfahrern von nah und fern an. Sie kamen mit Kreuz und Fahnen aus zehn bis zwanzig Ortschaften, sodaß die Kirche diese Menschenmengen nicht mehr fassen und Messen im Freien abgehalten werden mußten. Auch der Zulauf zum Kreuzamt alle Freitage war groß, weil damit auch Ablässe von zeitlichen Sündenstrafen zu erlangen waren.
Im Jahr 1692 errichtete Abt Modestus die Bruderschaft zum Hl. Kreuz, die 1722 bereits eintausend Mitglieder zählte. Bei einer Bruderschaft handelte es sich um eine Vereinigung von geistlichen und weltlichen Personen, Männern und Frauen, deren Zusammenschluß durch Statuten geregelt war. Dem mitunter gewaltsamen Vordrängen des Protestantismus stand auf der andern Seite die erneute Besinnung auf spezifisch katholische Geisteshaltung und Frömmigkeit gegenüber, wobei dem Wallfahrtswesen ein besonderer Stellenwert zukam. Diese Bruderschaften waren die großen Förderer der Wallfahrtsbewegung, und mit ihren regelmäßigen Opfern trugen sie auch zum Bau neuer Kirchen, sowie zur Gestaltung der Gottesdienste bei.Sie wirkten im Sinne frommer Propaganda für einen Gnadenort. Dazu diente die Herausgabe von Bruderschafts- und Mirakelbüchern mit der Proto-kollierung der Wunder- und Gnadentaten.
Da begegnen wir im Wiblinger Mirakelbuch von 1773, das auch ältere Gnadentaten enthält einer Bekannten aus dem ersten Teil unseres Buches:
»Eine in unglücklicher Geburts-Gefahr stehende adeliche Frau gebähret glücklich, nachdem sie sich und ihre Leibs-Frucht zu dem Hl. Creutz nacher Wiblingen verlobet.
Es ist an uns von obstehender Gutthat eine glaubwürdige Attestattion eingeschicket worden von selbst der adelichen Frauen mit eigener Hand, und Sigill bekräfftiget, dessen eigentliches Wort man erzehlen, und hier beysetzen will.
Ich Anna Sabina Heroldin von Höfflingen auf Schönau und Weyler, bekenne daß ich Anno 1659 grossen Leibs gewesen, auch in der Gefahr gestanden, daß ich kein lebendige Frucht trage; als hab ich durch Eingebung Gottes mein Vertrauen und Zuflucht zum Heiligen Creutz zu Wiblingen gehabt, und mich mit samt der Leibsfrucht mit einem goldenen Ring allhero verlobt, bin darauf des Kinds entbunden, und eines jungen Sohns genesen etc.
Zu aller Bekräfftigung und Wahrheit was hierin-nen stehet, hab ich mein eigen angebohrenes Pett-schaft hervor gedrucket. Geben und beschehen zu Weyler den 23. April 1668. Anna Sabina Heroldin bekenne alles, wie obstehet. Mppria.«
Es folgen weitere schwere Geburten von Frauen aus der Gegend um Eichstätt, der Schweiz, von Schnürpflingen. Ihnen allen wurde ein »Wiblinger Kreuzlein«, also ein kleineres oder größeres Abbild des gefaßten Originals auf den Leib gelegt. Diese Wiblinger Kreuzlein waren »berührte«, also mit der Kreuzreliquie segnend zusammengebrachte Wallfahrtsandenken. Sie wurden zu Tausenden an Wallfahrer vergeben und bis nach Ungarn verschickt. Sie galten als viel kostbarer als ihr Silberwert war. Als Schutzzuflucht wurden sie in mancherlei Nöten angewandt: In Äcker gesteckt, um Sie vor Hagelschlag zu bewahren oder Mäuse und »Rueppen« - Raupen, fernzuhalten. Gegen Fallsucht, Irrsein und erhexung sollten sie zauberische Bindungen lösen. So beim Mirakel des Mesnersohnes Antoni Teufel von Unterweiler:
Extractus Ober Oesterreichischen Stift und Gotts Haus Wiblingischen Verhörungs-Prothocoll. De dato 12. Martii Anno 1745.
Allhiesigen Gottes-Hauses Unterthan Antoni Teufel, Meßner von Unterweyler erscheinet, bey seinem guten Gewissen aussagend, nachdeme Ahno 1743 um Weynachten sein Söhnlein auch Antoni Teufel 6. Jahr alt in der Nachbarschaft zu anderen Kinder ganz gesund, und grad gegangen, nach was Zeit man sein Weib die Mutter dessen gehollet, und gesaget, das Büble schreye, könne auf einem s. v. Fü ßlein nicht mehr stehen; das Weib seye deme gleich zugeloffen, habe das Kind also angetroffen und nacher Hauß tragen müssen. Wie sie es nacher Hauß gebracht, hätte er, und sein Weib hierüber gejammeret, er aber gesagt, wisse kein besseres Mittel, als dises Kind zu dem Heiligen Creutz nacher Wiblingen zu verloben, wolle Morgen nicht in das Tagwerck, sondern mit dem Kind gleich nacher Wiblingen gehen: Sein Weib hat ein gleiches versprochen; Dannhero sie den anderten Tag das Kind nacher Wiblingen in die Kirchen getragen, wo man solches mit dem heiligen Creutz benediciert hätte. Worauf das Büblein widerumen ganz gerad worden, mit ihnen nacher Hauß gantz freudig gegangen und geloffen seyt. Von solcher Zeit, und da man ihnen kleine Creutzlein an das Scapulier, und des Kinds Bethstättlein mitgegeben, seye selbes gerad, und wohl auf, spühreten auch nichts Widriges mehr von den vormahligen nächtlichen Nachstellungen an ihme: Wormit er Antoni Teufel weinend beygefügt, sie Elteren könnten mit ihrem Büblein GOTT und dem heiligen Creutz allhier vor solche Augenscheinliche Gnad nicht genug dancken.
Wiblingen, den 14. Martii 1745. T Ober-Oester-reichisches Stift und Gottes-Hauß Wiblingische Canzley

1722 fressen »Ratzen« und »Rueppen«-Wühlmäu-se und Raupen den Flachs ab in Schnürpflingen, die Felder werden mit dem Hl. Kreuzpartikel benedi-ziert.
1740 nahmen die »Würm« und »Rueppen« bei Flachs, Erbis-Erbsen und Wicken Überhand in Dell-mensingen, auf Wiblinger Äckern, in Donaurieden, der Pfarrei Unterkirchberg mit Beutelreusch, Essendorf, Mussingen, Buch.
1743 Viehseuche in Gögglingen, Einsingen, Unterweiler und Fischbachhof. Ställe wurden benediziert.
1745 Viehseuche in Hüttisheim, Bihlafingen, Stöt-ten, Einsingen.
Diese wenigen Beispiele zeigen die Nöte und Sorgen auf, welche die Bauern erdulden mußten, da es damals keine Mittel gab, um dem massenweise auftretenden Ungeziefer und Viehseuchen Herr zu werden als die »Geistlichen Mittel«.
Eintretende und verstorbene Mitglieder der Hl. Kreuzbruderschaft wurden in gedruckten Listen zusammengefaßt und unter die Mitglieder verteilt an hohen Festtagen. Dort erscheinen Äbte und Konvente aus Kremsmünster, Innsbruck, Colmar, Neres-heim, St. Gallen, Marchtal, Ochsenhausen, Zwiefal-ten, Mehrerau, Salem, Marienberg/Vintschau, Roggenburg, Ursberg, Äbtissinnen von Gutenzell, Baindt, Edelstetten, Kloster Wald. Es fehlt auch nicht P. Amandus Storr, Konventuale in Wiblingen 1760 eingetreten, der später im Streit um die Umpfarrung eine große Rolle spielte. Mitglieder kamen aus Gögg-lingen, Donaustetten, Dellmensingen, Unterkirchberg, Unterweiler, Ay, Schnürpflingen, Achstetten und weiteren Orten der näheren Umgebung. So konnte es nicht ausbleiben, daß die Bruderschafts-mitglieder an Hoch- und Bruderschaftsfesten ihren eigenen Pfarrern davonliefen und sie vor halbleeren Kirchenstühlen predigen mußten.
Der massenhafte Zulauf von weither nach Wiblin-gen ging dann durch die Josephinischen Reformen (1781-1790) stark zurück, denn danach waren nur mehr Wallfahrten erlaubt, die keine Übernachtung erforderten.